65. Todestag – Gedenken an Susanne Wantoch

Susanne Wantoch als junges Mädchen

Susanne und Theo Wantoch auf dem Schiff nach Shanghai. Das Exil in China ist 1938 ihr letzter Ausweg auf der Flucht vor den Nationalsozialisten.

Susanne Wantoch und ihr Ehemann mit Kollegen in China

Susanne Wantoch zurück in Österreich Anfang der 1950er Jahre

Vor 65 Jahren im Juli 1959 bricht Susanne Wantoch allein zu einer Wanderung ins Gebiet der südlich von Wien gelegenen Raxalpe auf. Als sie sich in den darauffolgenden Tagen nicht meldet und auch telefonisch nicht erreichbar ist, macht sich ihre Schwester Elisabeth Sorgen. Die von ihr ausgelöste Suche bleibt erfolglos. Ist Susanne Wantoch verunglückt, einem Verbrechen zum Opfer gefallen oder hat sie Selbstmord begangen? Fünf Jahre lang bleiben Familie und Freunde im Ungewissen. Dann  werden ihre sterblichen Überreste von einem Forstarbeiter gefunden, nur wenig entfernt von einer Schutzhütte in den Bergen, in die sie einst mit ihrem Mann bei ihrer Hochzeitswanderung eingekehrt ist. Die genaue Todesursache bleibt aber weiterhin ungeklärt, während ein enger Freund nicht daran glaubt, dass sie Selbstmord beging, halten Familienmitglieder und politische Wegbegleiter es für möglich.

Doch wer war Susanne Wantoch? In 1912 wird sie als Susanne Eisenberger in Trencin (heutige Slowakei) geboren. Beruflich bedingt durch den Vater zieht die Familie mehrmals um. Erst als Susanne 10 Jahre alt ist, lassen ihre Eltern sich dauerhaft in Linz in Oberösterreich nieder, wo der Vater eine Stelle als Leiter einer Fabrik erhalten hat. Schon seit frühester Jugend ist Susanne begeisterte Bücherleserin. Sie tritt als Mittelschülerin dem kommunistischen Jugendverband bei. Die Liebe zu Büchern und die frühe politische Orientierung prägen ihr späteres Leben nachhaltig. Nach Abschluss der Matura studiert sie in Wien auf Lehramt für Englisch und Französisch. Nebenbei schreibt sie, doch ist wenig bekannt aus dieser Zeit. Es ist 1932 als sie nach bestandenem Universitätsexamen eine Stelle beim Wiener Büro der englischen Schifffahrtslinie Cunard White Star antritt. Wie hat sie die politischen Umwälzungen der damaligen Zeit erlebt, als Kommunistin und Jüdin. Fühlt sie eine Bedrohung? Wann hat sie ihren Mann Arno Theo Wantoch kennen- und liebengelernt, „den revolutionär gesinnten Medizinstudenten aus bürgerlicher Familie, jüdischer Herkunft wie Susanne, wie sie religiös indifferent und kulturell assimiliert“[1]. Im September 1938 heiraten Susanne und Arno Theo Wantoch. Ihnen ist klar, dass sie nicht in Österreich bleiben können und zwei Monate später brechen sie von England aus auf nach China. Tatsächlich ist zu damaliger Zeit die chinesische Hafenstadt Shanghai, noch für jüdische Flüchtlinge ein Zufluchtsort, der ohne viele bürokratische Hürden angelaufen werden kann, ohne Einreisebeschränkungen.

Als Susanne und Theo Wantoch in Shanghai ankommen, ist die Stadt von den Japanern besetzt während im Landesinnern ein Bürgerkrieg zwischen Kommunisten und den Anhängern der national-chinesischen Partei Guomindang unter der Führung von Chiang Kai-shek tobt. Doch um die Okkupanten aus Japan zurückzudrängen, schließen Chiang und sein kommunistischer Gegenspieler Mao Zedong eine Einheitsfront. Ein brüchiges Bündnis, dass 1945 nach der Niederlage Japans im 2. Weltkrieg zerbricht und die erbitterten Kämpfe zwischen den beiden Parteien wieder aufleben lässt. In dieser Konfliktlage arbeiten Susanne Wantoch und ihr Mann für das Rote Kreuz, er als Arzt, sie als Pflegerin im Inneren des Landes in Krankenhäusern und Feldlazaretten, darunter in den Provinzen Guizhou und Henan, später dann in Chongching. Die schwierigen hygienischen Zustände und die prekären materiellen Verhältnisse schrecken sie nicht ab. Im Gegenteil, sie lernen die chinesische Sprache und fühlen „die Gewißheit, sich im sich im Labyrinth der Traditionen zurechtzufinden und eine wichtige Epoche der nationalen Geschichte zu erleben, das Gefühl der Verbundenheit mit Studenten, Kleinbauern und einfachen Soldaten versetzte sie in Hochstimmung.“[2] Das lässt sich auch aus den Briefen erkennen, die Susanne Wantoch ihrer Schwester nach England schickt. Wie tief sie ein Verständnis für die Menschen um sie herum entwickelt hat, wobei ihr die erworbenen Chinesischkenntnisse geholfen haben dürften, zeigt ihr Roman „Nan Lu“.  Auch erhält sie durch ihre Arbeit als Dozentin für Englisch und Deutsch an einer Provinzuniversität, Einblicke in die Sorgen und Nöte der Studierenden und des Lehrkörpers. Die Idee oder die ersten Fragmente ihres Romans dürften hier entstanden sein. Doch dann ereilt sie ein schwerer Schicksalschlag: ihr Mann erkrankt  an Tuberkulose und stirbt Ende 1945. Müßig zu überlegen, wie ihr Leben weiter verlaufen wäre mit Theo an ihrer Seite. So, ganz auf sich allein gestellt, entscheidet sie sich nach Wien zurückzukehren und Anfang 1947 erscheint eine erste kleine literarische Arbeit. Aus einem Brief wird klar, dass sie sich als Schriftstellerin versuchen will und sollte das nicht gleich gelingen, noch einige andere Berufe zu bieten hat. Sie findet auch schnell eine Anstellung als Lehrerin, wechselt jedoch nach kurzer Zeit die Arbeitsstelle, in den folgenden Jahren immer wieder. Ein durchschlagender Erfolg als Schriftstellerin bleibt ihr versagt. Vielleicht noch härter muss sie die Einsicht getroffen haben, sich für den Traum einer vom Kommunismus getragenen Gesellschaft vergeblich eingesetzt zu haben, angesichts der stalinistischen Gräuel sich mitverantwortlich zu fühlen und in der österreichischen Gesellschaft mit ihren Ansichten immer mehr ins Abseits zu driften.

Doch ihr Roman „Nan Lu“ ist zu Unrecht vergessen und ist – auch literarisch – bemerkenswert. Atmosphärisch dicht erzählt sie von dem Überlebenskampf der Bewohner einer kleinen chinesischen Stadt in Westchina während japanische Truppen mit unvorstellbarer Brutalität ins Landesinnere vordringen und gleichzeitig ein Bürgerkrieg zwischen kommunistischen Anhängern und den Truppen von Chiang Kai-shek tobt. Die großartig gezeichneten Protagonisten getrieben durch verschiedene  Überzeugungen und Zwänge wirken lebensecht und lassen die spannungsgeladene Atmosphäre zu jener Zeit lebendig werden. Es zeigt wie sehr sie auch in der chinesischen Gesellschaft eingetaucht ist und ein Gefühl für die Stimmungslage entwickelt hat. Im Roman enthaltene Brieffragmente beweisen auch das tiefe Vertrauen, das ihr als Fremde u.a. von ihren chinesischen Studenten entgegengebracht wurde, die ihr gegenüber Gefühle und Lebensumstände preisgaben. Doch ihr Erstlingsroman findet nur in politisch einschlägigen Kreisen Verbreitung, erscheint 1948 im kommunistischen Globus Verlag in Wien, wird in der DDR über den Verlag Neues Leben veröffentlicht und ins polnische und tschechische übersetzt. Erst einige Jahrzehnte später findet der renommierte und preisgekrönte Schriftsteller Erich Hackl in einer Bücherkiste eine Ausgabe ihres Roman und holt die Autorin mit seinem Essay Abgängig seit 1959. Erster Bericht über die Schriftstellerin Susanne Wantoch (Abgedruckt in: In fester Umarmung. Geschichten und Berichte. Zürich 1996, S. 290–317) aus dem Vergessen. Auf die Frage, was ihn an der Schriftstellerin interessiere antwortet er der Nichte von Susanne Wantoch: „[…] das Nachholen einer durch Antisemitismus, Antikommunismus und Antifeminismus – den heiligen drei Affen der Republik – verhinderten Lektüre; der Hunger nach einer politisch engagierten „Nachkriegsliteratur“, die es angeblich nicht, oder nur im Exil, gegeben hat […]. Aber ich finde noch mehr an der Autorin. Zum einen – die Erzählung „Nan Lu“, auch ihre Nachdichtungen chinesischer Lyrik als Beispiel – das Bemühen, die Annäherung an eine fremde Kultur dankbar zu empfinden und diesen Dank auch literarisch abzustatten.“[3]

 

 

 

[1] Erich Hackl: Abgängig seit 1959. Erster Bericht über die Schriftstellerin Susanne Wantoch. Abgedruckt in: Susanne Wantoch: Nan Lu. Die Stadt der verschlungenen Wege. Berlin 2018, S. 103–121. S. 107

[2] Ders., S. 109

[3] Ders., S. 112

Thomas Somadossi hatte die Idee, Susanne Wantochs Roman erneut zu publizieren und zusätzlich den Essay von Erich Hackl über ihr Leben einzufügen. Mit der Förderung vom Zukunftsfonds der Republik Österreich konnte diese Edition realisiert werden.

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